Ogloudoglou

 

Hörabenteuer / Das Duo „Ogloudoglou“ verwandelte den Gare du Nord in einen Zaubergarten

 

Basler Zeitung 26.3.2005

 

Der differenziert ausformulierten Sprache trauen wir nicht mehr restlos, denn zu oft erleben wir, wie sie bedenkenlos instrumentalisiert wird und den Menschen willig zu Diensten ist. Darum haben Schriftsteller, und das nicht erst seit Dada“, nach Sprach- und Sprechmöglichkeiten gesucht, die resistent gegen alle Arten von Sprachinstrumentalisierung sind und das auszudrückende unverfälscht wiedergeben. Eine dieser Möglichkeiten ist die Sprache als blosse Lautung, als Klangfolge vokaler und konsonanter Silben, die keine rational erfassbare Mitteilung mehr transportieren, sondern um ihrer selbst willen da sind. Vielleicht klangen so die menschlichen Ursprachen, wie vielleicht auch die Urmusiken darin bestanden, daß die Menschen mit den Händen oder einem Gegenstand auf alles ihnen erreichbare schlugen und es zum Tönen brachten.

Zwei Musiker, die sich auf diese Spurensuche machen, sind der Bassist Frank Wörner und der Schlagzeuger Michael Kiedaisch. Als Duo gaben sie sich den klangvollen Namen „Ogloudoglou“, und am Dienstag Abend verwandelten sie für 80 Minuten den Gare du Nord in einen Zaubergarten. Aufs Programm hatten sie sieben Stimm- und Schlagzeugstücke von Giacinto Scelsi, die Nummern 64 und 85 aus John Cages „Song Books“, von Pierluigi Billone ein Stimmstück und Iannis Xenakis‘ „Kassandra“ für Stimme und Schlagzeug gesetzt.

So verschieden diese Musiken sind, sie verschmolzen zu einem fantastischen Hörabenteuer, lockten die Zuhörer in eine „unerhörte“ Klangwelt, die, frei von jeder Geschwätzigkeit, nur für sich besteht. In höchster Konzentration gesungen und geschlagen wurde eine tönende Urwelt hörbar, die vielleicht primitiv sein mag, doch in jedem Augenblick sich als authentisch erwies. Das gelang Ogloudoglou auch in „Kassandra“ mit einem ausformulierten Text des Aischylos. Die sich aller Konventionen entledigende Stimmführung der Seherin im Dialog mit dem Chorführer erzeugt eine exzessive Eindringlichkeit, die der radikale Schlagzeugpart immer erneut ins Maßlose steigert. Grandiose Musik! Fantastisches Konzert!